Yunnan: von den einsamen Bergstrassen, in die Landwirtschaftszone, weiter in die Grossstadt und zurück

Nach dem "Grenzübergang" Sichuan/Yunnan (tatsächlich fühlte es sich ein bisschen an, wie eine Landesgrenze. Da ist wohl niemand verantwortlich für den Zustand der 75km langen Strasse zwischen den zwei "Grenz"-Dörfchen) standen uns noch wenige, vergleichsweise kleine Pässe über 3500m bevor. Nicht selten hörte ich wehmütige Seufzer und wieder und wieder Gemurmel "hm, etz hömmer denn kei höchi Berg meh...". Tobias freute sich jeweils, wenn auf einer Passhöhe tief im Tal schon eine nächste hohe Rampe in Aussicht war.
bild Doch so schnell radelten wir noch nicht ins Flachland. Zuerst boten zwei 5000er (Haba-Shan, Yulong-Xueshan) uns während mehreren wolkenfreien Tagen eine herrliche Kulisse! Sobald die Schneeberge endgültig ausser Sichtweite waren, sah Tobias in ein paar entfernten Quellwolken die erste Fatamorgana: "hohe Schneeberge"...
Shangri-la bis Lijiang

Von Shangri-la, das eigentlich Zhongdian heisst, hatten wir etwas völlig anderes erwartet. Vorbei war es mit den idyllischen tibetischen Dörfern. Hier wächst eine Touristenmaschine im Eiltempo heran. Doch kaum waren wir nach einem Ruhetag wenige Kilometer auf einer Nebenstrasse aus dem Gewühl herausgeradelt, kehrte wieder die gewohnte Ruhe ein. Auf unserer Route nach Lijiang war täglich Sightseeing angesagt. Baishuitai (ein kleines "Pamukale"), die Tigersprungschlucht (wo sich die Wassermassen des Jangtse durch eine enge Schlucht zwischen zwei 5000er Berge drängt), der Jade-Snowmountain-Nationalpark (wurde leider zum Vergnügungspark gemacht) und dazwischen kleine Dörfer mit unterschiedlichen "ethnischen Minderheiten", die stolz in ihren Trachten ihren Alltagsgeschäften nachgingen.

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Wir hatten hier in China schon so viele verschiedene Volksgruppen kennengelernt. Ja, die "Minderheiten" (was für eine blöde Ausdurcksweise!) machten auf unserer Route stets die Mehrheit aus. Die "Hui", die "Yi", "Naxi", "Tibeter", "Uiguren", "Bai", "Mongolen", "Zhang" und viele mehr... Wenn man bedenkt, dass die Han-Chinesen 92% der Bevölkerung Chinas ausmachen, wird einmal mehr bewusst, dass wir nur einen winzigen Teil kennengelernt haben. China, wir kommen wieder (hoffentlich)! bild
In Lijiang angekommen, waren wir total verwirrt. Diese Reizüberflutung, dieses Gedränge durch die kitschig herausgeputzten Gassen des UNESCO-Städtchens (oder war es Disneyland?) war der Gipfel, was wir an chinesischem Massentourismus erlebt haben. Hätten wir nicht Janine und Dominik für einen kurzweiligen Abend wiedergetroffen, hätten wir dem Ort nichts positives abgewinnen können. Nur etwas mehr als 100km weiter schlenderten wir duch ein ähnliches Städtchen, mit dem Unterschied, dass hier der Alltag und das etwas chaotische Treiben noch die Gassen beherrschte.
Lijiang - Dali - Kunming
bild Auf unserem Visa-Sprint von Lijiang via Dali (2te Visaverlängerung) nach Kunming (Vietnam- und Myanmarvisum) nahm die Landwirtschaft mehr und mehr zu. Überall waren die Chinesen fleissig wie die Bienen fast nur mit Handarbeit beschäftigt mit der Reis- und Maisernte, Pflügen, Tränken und Düngen. Langsame Zweitakter-Gefährte verstopften die Strassen, so dass wir uns ab und zu in den Engpässen am Verkehr vorbeischlängelten und für einmal die Schnellsten waren.
Bei einem riskanten Überholmanöver zweier LKWs wurde doch glatt vor unseren Augen eine von drei fröhlich schnatternden Gänsen plattgefahren. Nach den letzten Monaten waren wir zwar schon abgehärtet und die teilweise rauen Sitten auf eurasischen Strassen gewohnt. Trotzdem brauchte der Appetit zwei Anläufe, als am gleichen Abend nach Bestellung im Restaurant (nach Zufallsprinzip hatten wir im Menu auf ein paar chinesische Zeichen gezeigt) unter anderem eine ganze gebratene Ente auf einer Platte serviert wurde.
vom Zufall verfolgt

Wer hier wen verfolgt ist nicht geklärt, aber Viktor haben wir seit dem Iran nun schon zum sechsten Mal getroffen, ohne dass wir einen Treffpunkt abgemacht hätten. Zwar fährt "el loco" aus Barcelona viel schneller als wir - nicht selten spuhlt der ehemalige Radrennfahrer 200km im Tag ab - jedoch zwingt ihn seine Visaorganisation, die Optimierungspotential hätte, manchmal zu einer Pause. Nach dem letzten Treffen in Bishkek sind wir ihm im 4000km entfernten Dali in einer kleinen Gasse direkt vor das Fahrrad gelaufen. Die Wiedersehensfreude war gross und wir wollten uns im 400km entfernten Kunming wieder treffen. Doch bevor wir überhaupt einen Treffpunkt vereinbart hatten, fuhren wir uns in der 6-Millionen Stadt auf einer Kreuzung fast über den Haufen. Ein paar Tage verbrachten wir im gleichen Hostel. Und der Zufall meinte es gut! Genau in diesen Tagen konnten wir Viktor's Geburtstag feiern.

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Neben dem Besorgen der Visa, brachten wir in Kunming alles wieder auf Vordermann. Mit neuen Reiseführer über Südostasien sind wir nun eingedeckt (und schon werden die Routen bei der Planung länger und länger) und die chinesischen Coiffeuren haben ganze Arbeit geleistet. Bald nehmen wir den letzten Abschnitt in China zu den Reisterrassen von Yuangyang zusammen mit Viktor in Angriff. Wir lassen uns überraschen, wer das Tempo vorgibt.
Fortsetzung: von Kunming zu den Reisterassen...
Zwischen Kunming und der Grenze zu Vietnam schlugen wir einen weiteren Haken um die Reisterassen von Yuanyang zu sehen. Die "Hani" kultivieren seit mehr als 2000 Jahren die hügelige Landschaft zwischen 300m.ü.M. bis fast 3000m.ü.M mit Reis. Einen ganzen Tag holperten wir auf der dreirädrigen Ritschka (Tobias und Viktor hatten sich beim Tourguide nicht so genau nach dem Zustand des "Minibuses" erkundigt) durch die eindrückliche Gegend. bild
Zuerst mussten wir aber überhaupt zum Ausgangspunkt der Tour gelangen und dafür gab es zwei Möglichkeiten: Nansha (Neustadt) oder Xinjie (Altstadt). Nach 77 km und ca. 700 Hm in den Beinen kamen wir in Nansha, im Tal am "roten Fluss" gelegen auf unter 100 m.ü.M., an. Es war drei Uhr nachmittags und wir waren unschlüssig, ob wir die 30km bergauf nach Xinjie noch in Angriff nehmen sollten oder nicht. Eigentlich rümpften wir alle drei die Nase bei dem Gedanken daran in der Nachmittagshitze diese "keine-Ahnung-wie-viele" Höhenmeter abzustrampeln. Keiner von uns Dreien wollte wohl der Schwächling sein und vorschlagen in Nansha zu bleiben. Auf die vorsichtige Frage: "let's go?" folgte die schüchterne Antwort: "ok., let's go..." und die Sache war entschieden. Drei Stunden und 1600 Hm später kamen wir gerade rechtzeitig vor Sonnenuntergang in Xinjie an und kaum zu glauben aber wahr, da war sogar Viktor müde.
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In einem kleinen Dorf sahen wir einmal mehr die zierlichen Hani-Frauen auf der Baustelle schuften wie die Verrückten, während die Männer daneben pafften und den Frauen, die schwere Zementsäcke durchs halbe Dorf schleppten, Anweisungen erteilten. Das war zuviel für Tobias und Viktor. Die beiden, wild entschlossen, packten sofort mit an und trugen Zement vom Parkplatz bis zur Baustelle (zugegeben: es war nur EIN Sack zu ZWEIT und mit DREI Pausen unterwegs). Nein, Bewunderung ernteten sie nicht von den starken Frauen, aber immerhin amüsierten sie sich über die hilfsbereiten Touristen.
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...bis zur vietnamesischen Grenze
Entlang dem "roten Fluss" bis zur vietnamesischen Grenze erwartete uns keine sonderlich interessante Strecke mehr. Eigentlich hatte ich mir in der Ebene einen gemütlichen Platz im Windschatten der zwei "hombres" vor mir erhofft. Doch denen fiel nichts Besseres ein, als Sprints anzuzetteln. In der feuchten Hitze fühlten wir uns noch schmutziger als wir sowieso schon waren. Da kam uns ein "Südostasien-Radler" entgegen. Ein Holländer, leicht beladen, ein blitzblankes Velo mit glänzenden Taschen. Die weissen, SCHNEEweissen Socken haben uns irritiert. Das hatten wir doch schon lange nicht mehr gesehen. Wie wohl Südostasien sein würde? Jetzt waren wir erst recht gespannt! bild
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